Ein neuer Tag

Unsanft werde ich wach, weil ein neuer Tag seine tönenden Tentakel in mein Ohr steckt.

Weckern.
Straßenlärmig.
Vogelzwitschrig.

Wach auf! Wir haben Helligkeit. Wir haben Wetter! jubelt er.

Langsam, brumme ich.

Ich tapse ins Bad. Der neue Tag wuselt um mich herum. Seine Tentakel stupsen mich an Armen und Beinen, wie ein übermütiger junger Hund mit feuchter Schnauze.

Morgenluftig.
Kaltfliesig.
Klobrillenklamm.

Lass uns loslegen! Wir haben Stunden, voll mit Minuten und Sekunden, die wir miteinander verbringen werden. Womit fangen wir an? drängt er.

Tee, antworte ich knapp.

Es hat keinen Zweck, mit einem Tag zu streiten. Er weiß es ja nicht besser. Er ist noch jung, und auch wenn er manchmal ewig dauert, ist für ihn nach 24 Stunden alles vorbei.

Ich stelle die Tasse auf den Tisch.

Hier, wärm dich ein bisschen auf, und wenn die Tasse leer ist, legen wir los.

Der neue Tag schmiegt sich um die Tasse.

Schön warm, wispert er.

Ich nicke.

Eine Zeitlang sitzen wir schweigend am Küchentisch, der neue Tag und ich. Langsam löst er einen Tentakel von der Tasse, dann noch einen. Er stupst mich damit vorsichtig am Arm, und es fühlt sich nun angenehm an. Ich spüre ein leichtes Kribbeln, als er sich behutsam durch die Haut in mein Inneres vortastet.

Schließlich ist die Tasse leer, und ich bin im Tag angekommen.

Es kann losgehen.

3 Kommentare zu „Ein neuer Tag

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