Er sah ihn kommen.
Zuerst war es nur eine Ahnung von Bewegung in der Ferne, aber er sah alles. Sah ihn langsam näherkommen. Konnte schließlich sein Gesicht erkennen, sah die Verwirrung in seinen Augen. Die Gestalt hielt immer wieder inne und schien zu lauschen.
Die Stimmen.
Auch er selbst war vor langer Zeit über die weite Ebene gestolpert. Einem Ruf gefolgt, der ihn unweigerlich zur Stadt zog. War schließlich zur Hütte gekommen. Der Hütte, in der er jetzt saß und wartete. Damals hatte ihn ein Mann begrüßt, so wie er selbst mit langem weißen Bart und einem weißen Umhang bekleidet. Mittlerweile hatte er diesen Posten übernommen.
Er genoss die Stille in der Hütte. Die Stimmen im Kopf waren seltener geworden, und das war ihm ganz recht. Es war eine helle Stimme gewesen, und obwohl er nicht verstand, was sie sagte, fühlte er sich angesprochen. In regelmäßigen Abständen erklang sie in seinem Kopf. Nur er konnte sie hören, aber jeder in der Stadt hatte seine Stimme, die zu ihm sprach.
Mittlerweile gehörte er zu den Blassen, seine Gestalt war undeutlich geworden, verschwommen und durchscheinend. Solche wie ihn gab es viele. Ein paar von den Blassen schienen immer durchsichtiger zu werden und sich langsam in Nichts aufzulösen.
Es gab auch andere, die klar und deutlich zu erkennen waren, fast schon übernatürlich. Die hörten ständig Stimmen: fröhlich, traurig, bittend, fordernd, klagend, verzweifelt. Und statt allmählich zu verblassen, verschwanden die von einem Augenblick auf den nächsten. Ohne Vorwarnung. Am Ende wurden die Stimmen noch einmal richtig laut und intensiv, dann war alles vorbei.
Die Stimmen.
Jeder Ankömmling (er selbst eingeschlossen) erinnerte sich an sein erstes Erlebnis, und das war der Klang der Stimme. Man befand sich irgendwo in den weiten Ebenen. Keiner wusste, wie er hergekommen war, aber jeder wusste, wohin er zu gehen hatte. Intuitiv kam jeder zur Stadt. Manche auf direktem Weg, andere irrten eine Weile herum. Irgendwann kam jeder hierher.
Manche glaubten, dass sie von der Stimme erschaffen wurden. Wenn die Stimme nicht mehr erklang, verschwand man wieder. Das klang irgendwie plausibel, erklärte aber nicht, warum manche verblassten, andere aber auf einen Schlag verschwanden.
Einige waren der Ansicht, dass hinter jeder Stimme irgendein Wesen zu stecken schien, das auf unerklärliche Weise mit jedem Bewohner der Stadt verbunden war. Löste sich das Wesen auf, verschwand der Bewohner. Aber warum verschwanden die Wesen? Hatten sie ihrerseits eine Stimme, die sie am Leben hielt? Und wenn ja, ging das immer so weiter, bis ins Unendliche?
Er selbst hatte sich damit abgefunden, dieses Mysterium nie auflösen zu können. Er saß da, genoss die Stille im Kopf und ließ seinen Blick über die Ebene schweifen. Früher war mehr los gewesen, aber mittlerweile war es sehr ruhig. Nur selten kamen neue Bewohner hier an.
Die Gestalt hatte sich bis auf wenige Schritte seiner Hütte genähert. Sie blieb stehen und schien zu lauschen. Er stand auf und ging hinaus, um den Neuen zu begrüßen.